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Die Alte Chronik von 1956

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Die Sage von der weißen Nonne
und die Geschichte von den feurigen Männchen

In früherer Zeit war die Brutswiese besonders in ihrem entlegenen Teil ein weites Sumpfgebiet mit vielen knorrigen Weidenbäumen und hohlen Baumstrünken, die im fahlen Mondlicht die Landschaft gespenstisch prägten. Ein Heer von Wildenten, Eulen, Käuzen und anderem Nachtgetier erhöhten ihren nächtlichen Schauer, der den Schritt eines einsamen Wanderers, der sie aufschreckte, durch ihr krächzendes Geschrei beflügelte und dem Ängstlichen das Blut in den Adern erstarren ließ. Sah er dann noch die weiße Nonne, die in silberglänzendem Gewände über die geisterhafte Fläche schwebte, dann verschlug es ihm vollends den Atem. Ein schwarzes Hündchen mit giftsprühenden Augen, das einen goldenen Schlüssel im Maul trug, begleitete sie auf ihrem nächtlichen, dreimaligen Rundgang um ein altes Nonnenkloster. Hier ruhte in einer vergrabenen Truhe der kostbare Schatz des untergegangenen Klosters. Wer den titanenhaften Mut aufbrachte, dem Hündchen den Schlüssel zu entreißen, konnte damit die Truhe öffnen und den sagenhaften Schatz bergen, wodurch er von allen irdischen Sorgen befreit war. Soweit die Sage, die in verschiedenen Variationen in vielen Dörfern Rheinhessens und darüber hinaus anzutreffen ist. Als Anmerkung sei gesagt, daß in der Brutswiese nie ein Kloster gestanden hat. Hier hat man lediglich zwei römische Meierhöfe festgestellt, die sich in der Sage zu einem Kloster umbildeten. Noch vor kurzer Zeit war diese fruchtbare und kultivierte Gewann, die den amtlichen Namen „die große Schwarzgewann" führt, von einer großen Anzahl von Nußbäumen bestanden, die willkommene Brutstätten von allerlei Vögeln waren. In nächtlicher Stunde bei sternklarem Himmel, Übergossen von mattem Mondenschein, hat diese feuchte Gegend etwas „Schaurig-Schönes" an sich, das durch das Brodeln und Glucksen von Tausenden von Rinnsalen auf empfindsame Seelen unheimlich wirken kann. Vor einigen Jahrzehnten ging ein Mann, der frei von Gespensterglaube war, an einem warmen, feuchten Frühlingstage mit seinem Töchterchen von Büdesheim nach Dromersheim. Am hellen Tage sah er in den „Sechzigmorgen" nahe der Landstraße in einer Ackerfurche eine schwebende Nebelgestalt, die einer „Nonne" ähnlich sah. Das Kind machte ihn darauf aufmerksam, was er ihm verschweigen wollte, da es noch öfter diesen Weg allein gehen sollte.
 
Keine Sage, sondern eine wahre Begebenheit ist folgende Geschichte, die sich in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Dromersheim zugetragen hat. Sie zeigt, zu welchen Verwirrungen die Habsucht eines Mitmenschen führen kann, der seine Gier nach fremdem Eigentum nicht zügeln kann. In der Untergasse Nr. 158 (heute Anton Dickescheid) wohnte friedlich und ehrsam Heinrich Roos, der an nichts Böses dachte, bis er durch die Begehrlichkeit eines lieben Mitmenschen, der ihm sein Haus abjagen wollte, aus der Ruhe geschreckt wurde. Roos widerstand allen Druckmitteln und den feurigen und funkensprühenden Augen seines Partners, der ihm unter allen Umständen sein Haus abramschen wollte. Da Roos nicht einwilligte, griff sein Widerpart zu dem Mittel: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!" Mit einigen gedungenen Komplizen inszenierte er in den dunklen Winternächten rund um das Haus von Roos gespensterhafte, feurige Irrlichter, die in geschickter Weise bald da, bald dort aufleuchteten und wieder verschwanden, bald sich dem Hause bis zu den Fenstern näherten, um kurz darauf wieder aus größerer Entfernung einen neuen Angriff vorzutragen. Es war dem geängstigten Roos nicht möglich, hinter dieses gespenstische Treiben zu kommen, das ihn immer mehr in die Enge trieb. Das Komplott der Unholde fand sich auch öfters ein in der Wirtschaft des Metzgers Anton Uihlein in der Aspisheimerstraße 131 (heute Frau Maria Ramburger), wobei es einmal im Gespräch über neue Pläne von dem Wirt belauscht wurde. Nach einigem Zögern faßte sich Uihlein ein Herz! Mit einem langen Schlachtmesser bewaffnet, und von seinem treuen Bernhardiner Thyraß begleitet, wagte er den Gespenstern zu Leibe zu rücken. Mutig wie einst sein Zunftgenosse Michel Mort faßte und entlarvte er „in der Bein" den Haupthelden, der mit schlotternden Knien zu Boden sank. Dadurch war der Spuk zu Ende, und Roos konnte nach Über-windung seines Schreckens wieder ruhig schlafen. Den Spott und die Verachtung aber hatten die Blamierten, voran ihr Anstifter.

       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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